eingeschränkten Kommunikationsformen
Die eingeschränkten Kommunikationsformen
nach Virginia Satir
Erste Kommunikationsform:
Versöhnlich, Besänftigend, Placating
Satir ordnet jeder Form eine spezifische Skulpturstellung als Übertreibung und Pointierung zu. Für die versöhnliche Form ist dies folgende:
Worte:zustimmend („Was immer du willst, ist in Ordnung; entscheide Du!“), entschuldigend, wohlwollend, nie fordernd.
Stimme:leise, weinerlich, vorsichtig, gedrückt.
Auftreten:eher vorsichtig und leise bis zaghaft, rücksichtsvoll.
Körper und Atmung:Schultern nach vorne gebeugt, im Sitzen eine Hand offen im Schoß, wenig Atmung.
Syntax:häufiger Gebrauch von Einschränkungen: wenn, nur, ganz,
gerade und häufige Verwendung des Konjunktivs: könnte,
würde usw. Häufige Störung durch Gedankenlesen.
Selbst-
erleben:die Person, die ihre Kommunikation überwiegend in der versöhnlichen Art gestaltet, ist von einem Gefühl der Hilf- und Wertlosigkeit geprägt, oft auch des Ausgeliefert- und Beladenseins. Sie versucht, sich nützlich zu fühlen, indem sie für andere etwas tut und für sie lebt. Ohne einen anderen fühlt sie sich als Nichts, daher fürchtet sie ständig, dem anderen lästig zu sein, ihm im Wege zu stehen, ihn durch einen Fehler zu verärgern, von ihm abgelehnt oder verlassen zu werden. Sucht ständig die eigene Schuld, Angst vor starken Emotionen.
Thera-
peutisch:schrittweise Arbeit am Ärger, langsam Ressentiments heraus-
heben. Selbstwertgefühle stärken. Differenzen hervorheben,
Risiken übernehmen, Veränderungen anerkennen, Entschei-
dungen treffen lassen, Symptomverschreibungen, Nein-Sagen,
Forderungen stellen, Wünsche äußern. Geduld, langsames
Vorgehen, Verantwortung nicht übernehmen. Therapeut muss
selbst ein Modell für die Fähigkeit sein, ,,Nein“ zu sagen,
Grenzen zu setzen, Risiken zu übernehmen und trotzdem
zugewandt zu sein. Eine negative Phase ist hier ein erster Er-
folg.
Gefühle des
distanzlosen
Therapeuten: Müde, tut viel, Magenschmerzen, vorgebeugt, bedauert sich selbst.
Was
passiert
beim
Empfänger:
Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Empfänger von Mitteilungen, die er in der versöhnlichen Art der Kommunikation bekommt
– sich schuldig fühlt (Form 1)
– Mitleid bekommt (Form 1)
– helfen möchte (Form 1)
– schätzen möchte (Form 1)
– (sehr) ärgerlich wird (Form 2)
– fordernd reagiert (Form 2) Verachtung ausdrückt (Form 2 oder 3)
Aus diesen Reaktionen ist ersichtlich, welch mächtigen Einfluss die versöhnliche Form auf andere Menschen auszuüben vermag (Manipulation über schlechtes Gewissen).
Es ist leicht zu sehen, dass dem Sender durch dieses Feedback der Spielraum für seine nächste Reaktion ebenfalls eingeschränkt wird. In den meisten Fällen verstärken alle Reaktionen seine Haltung. Gelegentlich wird er in die zweite Form überwechseln, viel seltener in die dritte.
Die Absätze „Empfängerreaktion“ sind gute Beispiele dafür, wie schwer es ist, zirkuläre Abläufe darzustellen. Natürlich „re“-agieren die Empfänger nicht nur, sondern agieren gleichzeitig wieder als Sender gegenüber dem anderen.
Die eingeschränkten Kommunikationsformen
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Zweite
Kommuni-kationsform:
anklagend,
fordernd,
blaming
Worte:nicht zustimmend („du machst nie etwas richtig“) ,fordernd,
diktatorisch überlegen, beschuldigend, ablehnend,
unterbrechend.
Stimme:laut, oft schrill, hart, fest.
Auftreten:um anklagend zu wirken, ist es hilfreich, sich vorzustellen, dass
man einen beschuldigend ausgestreckten Finger hat, sich
nach vorne beugt. Sich um Antworten zu kümmern, ist
unwichtig. Stehend, Hand an der Hüfte.
Körper und Atmung:in kleinen, engen Zügen oder ganz angehalten.Syntax:häufig Verallgemeinerungen: „,jeder“, „ alle“, „nie“, „keiner“,
„,jedes Mal“, „immer“, „du“. Verwendung von negativen
Fragen: ,,Warum tun Sie es nicht?“, „Wie kommt es, dass
Sie… nicht können?“ Zeitliche und situative Zusammenhänge
sind oft inkorrekt wiedergegeben oder verbunden.
Selbst-
erleben:im Vordergrund steht der ungeduldige Wunsch, sich und seine
Meinung anerkannt zu bekommen. Je mehr Ärger, desto mehr
Verlangen. Ständiges Warten darauf, angegriffen zu werden
und zu unterliegen. Die Person fühlt sich nicht gehört, völlig
unverstanden, ungerecht behandelt, wertlos, erfolglos einsam
und erlebt tiefen Schmerz. Das alles verstärkt ihr eigenes tiefes
Misstrauen, gleichzeitig fürchtet sie nichts so sehr wie das
Erkennen ihrer Schwäche. Angriff ist die beste Verteidigung.
Thera-
peutisch:eigene Grenzen setzen, Ich-Botschaften. Klare Regeln
einführen: kein Du, kein Aber, keine Verallgemeinerungen.
Destruktive Abläufe unterbrechen, unterbinden. Negatives in
Positives übersetzen; Empathie, auf Zuhören achten,
wechselseitiges Zuhören in Gang bringen. Je nach Bedarf
Körperkontakt und Distanz schaffen. Von eigenen Gefühlen
sprechen, schnell und energisch reagieren. Anklage in
Bedürfnis übersetzen.
Gefühle des
distanzlosen
Therapeuten:
Aggressionen, extreme Spannungen, laute Stimme, Gefühl
von Machtkampf, Ärger oder Hilflosigkeit.
Was
passiert
beim
Empfänger:
der Empfänger von Mitteilungen in der anklagenden und
fordernden zweiten Kommunikationsform reagiert in den
häufigsten Fällen
mit Angst oder Furcht (Form 1)- mit Rückzug (Form 1)
– mit Schuldgefühlen und Bitten oder Flehen (Form 1)
– mit Ärger (Form 2)
– mit Wut (Form 2)mit Unterstellungen, der andere wisse genau, was er tue (Form 2)mit Kälte (Form 3)- mit sachlicher Erläuterung (Form 3)
Sofern der Empfänger der ersten Botschaft mit Schuldgefühlen reagiert und zu bitten anfängt, entsteht ein wenig positiver Kontakt zwischen beiden. Reagiert er in der zweiten oder dritten Form, ist es dem Sender unmöglich, irgendeine Art von Verstandenwerden oder Wärme zu fühlen. Die Beziehung gestaltet sich dann leicht destruktiv und vernichtend (aus: Bosch 1977, S. 247).
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Dritte Kommunikationsform:
Intellektualisierend,
rationalisierend,
computing.
Worte:vernünftig, erklärend, begründend, rechtfertigend; es geht um
die Unterscheidung von richtig und falsch.
Stimme:oft monoton.
Auftreten:bewegungslos, distanziert.
Körper:unbewegt, gespannt.
Syntax:Tilgung der Darstellung von Erlebnisinhalten, d.h. es entfällt oft
das Subjekt der aktiven Verben – z.B. „kann gesehen werden“
statt „ich sehe“ oder: „Es ist störend“ statt „Es stört mich“.
Überhaupt oft: man, es, Leute – Verallgemeinerungen, Nomi
nalisierungen: „Frustration“, „Stress“, „Spannung“ usw.
Selbst-
erleben:Angst vor Erregung und Gefühlen, damit verbunden große
Angst vor Verlust von Kontrolle und Ausgeliefertsein.
Thera-
peutisch:Sehr langsam, auf Nuancen achten, auf non-verbalen Aus
Druck achten, Therapeut muss seine Sprache an die des Ge-
genüber angleichen, denn wenn er zu schnell in die Nähe
von Gefühlen kommt, wächst die Bedrohtheit des Gegenübers.
Wichtig hier: sehr viel Anerkennung geben und nonverbalen
Ausdruck fördern.
Reaktion des
distanzlosen
Therapeuten:
Wenn der Therapeut die Distanz zum System verloren hat, versucht er, die anderen rational davon zu überzeugen, dass es vernünftig ist, von Gefühlen zu sprechen.
Was
passiert
beim
Empfänger:
Der Gesprächspartner, der Mitteilungen im Rahmen der dritten
Form empfängt, reagiert unterschiedlich
– oft fühlt er sich gelangweilt (Form 2 oder 4)
– erlebt nichts und verzieht sich (Form 3 oder 4)
– lenkt ab, um Leben und Unruhe zu stiften (Form 4)
– beginnt ebenfalls Vorträge zu halten (Form 3)
– fühlt sich klein und dumm (Form 1)
– bewundert und verehrt den Sender (Form 1)
– erlebt sich nicht beachtet und macht Vorwürfe (Form 2)
Der Gesprächspartner erlebt sich eventuell für lange Strecken in passive Rollen gedrängt und das Zuhören dann als anstrengend, mühevoll, ermüdend. Reagiert er irrelevant, handelt es sich um einen Versuch, die Langeweile durch Bewegung zu beleben.
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Vierte Kommunikationsform:
ablenkend,
ausweichend,
irrelevant
Worte:ohne Beziehung, Clownerien, ausweichend, häufiger Thema-
und Akzentwechsel, im Extrem: Worte ergeben keinen Sinn,
Vermeidung alles Konkreten, irritierend.
Stimme:wechselnd.
Auftreten:völlig uneindeutig.
Körper:eckig und in verschiedene Richtungen weisend (häufig Kinder,
die als ,minimale zerebrale Dysfunktion‘ etikettiert worden
sind), farbig, auffällig, interessante Aufmachung usw.
Syntax:rascher Wechsel zwischen den drei ersten syntaktischen Formen, selten direkte Bezugnahme auf das vom Therapeuten Gesagte.
Selbst-
erleben:Sehnsucht nach Kontakt und gleichzeitig große Angst davor, Erleben von Einsamkeit und Sinnlosigkeit, extreme Angst vor Gefühlen, Orientierungslosigkeit. Einziges Ziel: den anderen abzulenken.
Thera-
peutisch:leiten, vollständige Transaktionen herzustellen helfen, Focus-
sieren, zu Ende bringen, abschließen, klar bleiben. Wenn mög-
lich, körperlichen Kontakt aufnehmen.
Gefühle des
distanzlosen
Therapeuten: Therapeuten ohne ausreichende Distanz stellen frustriert fest,
dass sie keine einzige vollständige Interaktion herstellen
können.
Was
passiert
beim
Empfänger:
Es ist nicht selten, dass Schuldgefühle beim Partner entstehen.
Insbesondere Kinder, strengen sich oft sehr an im Versuch
Kontakt aufzunehmen, Vertrauen entgegenzubringen oder eine bestimmte Reaktion des Senders zu bekommen und werden wiederum enttäuscht oder imitiert. Sie retten sich dann ebenfalls in Irrelevanz oder verlassen das Haus, weil sie nichts für sich bekommen können.